LICHT - Die Magie des Bühnenraums
Städtische Galerie Remscheid
21.05. - 19.06.2005
Idee, Konzeption, Realisierung:
Sabine Schirdewahn, Matthias Wagner K

Ausstellungsarchitektur:
Agentur für gute Gestaltung
Die Ausstellung "LICHT - die Magie des Bühnenraums" wurde unterstützt vom Theaterwissenschaftlichen Institut der Universität Köln, Schloss Wahn, dem Zentrum für Internationale Lichtkunst e.V. Unna und dem Bauhaus-Archiv e.V. Berlin.
Eine Ausstellung über die Kulturgeschichte des Lichts, II, mit Werken von:

Adolphe Appia, Hugo Bähr, Luc Bondy, Max Brand, Bertolt Brecht, Erich Buchholz, Edward Gordon Craig, Jo Fabian, William Forsythe, Achim Freyer, Loie Fuller, Peter Greeneway, Anke Grot, Frank Hänig, Leopold Jessner, Stefan Mayer, Wilfried Minks, Lazlo Moholy-Nagy, Caspar Neher, Bert Neumann, Brygida Ochaim, Teo Otto, Emil Pirchan, Hans Poelzig, Erwin Piscator, Max Reinhardt, Maria Ricci, Hans Schavernoch, Oskar Schlemmer, Lothar Schreyer, Joachim Schütz, Ludwig Sievert, Ernst Stern, Josef Svoboda, Bruno Taut, James Turrell, George Tyspin, Anne Viebrock, Wieland Wagner, Robert Wilson, Erich Wonder, Ferdinand Wögerbauer u.a.
Das Geschehen auf der Bühne reflektiert das Leben, zu dem das Licht ebenso gehört wie sein Gegenteil, das Dunkel. Der vom Regisseur, Bühnenbildner, Lichtdesigner oder Künstler vorgefundene Theaterraum wird vom Licht erst "gemacht". LICHT schafft auf der Bühne neue Realitäten. So ist die Kunst des Lichts ein sich immer wieder neu vollziehender Schöpfungsvorgang.
Max Keller
Die Kulturgeschichte des Lichts ist auch eine Geschichte des Theaterlichts und diese beginnt da, wo Licht nicht mehr nur als dienendes Element eingesetzt wird, indem es Personen, Gegenstände, gemalte oder gebaute Bühnenwelten aus dem Dunkel hebt, sondern selbständiges Medium wird, welches allein seine Existenz im Bühnenraum verkörpert und selbst wirkungsästhetisch Zustände und Sachverhalte erzielt.
Diese tragende Rolle, die mit der Entwicklung der elektrischen Beleuchtungskörper im 19. Jahrhundert erst geschaffen wurde, führte nicht nur zum Verschwinden der über Jahrhunderte akzeptierten illusionistischen Bühnenmalerei, sondern erlaubte erstmals eine an den lebensreformatorischen Zeitumständen orientierte Lichtgestaltung auf der Bühne.
Das >neue> Licht, der Auftritt der elektrischen Beleuchtung in den Metropolen Europas, konfrontierte das Publikum der großen Bühnen mit völlig neuen Denk-, Spiel- und Erfahrungsräumen und ermöglichte allen Akteuren, den Bühnenraum zu einem Forum der Zukunft zu gestalten.

Die Ausstellung "LICHT - die Magie des Bühnenraums", respektive die folgende Dokumentation, reflektiert eingedenk der Veränderung von Wahrnehmung und Wahrnehmungsbedingungen sowie der jeweiligen technischen und zeitklimatischen Umstände, die Entwicklungsgeschichte des elektrischen Bühnenlichts. Sie zeigt exemplarisch die unterschiedlichen innovativen Illussionswirkungen und Denkansätze auf, die wiederum Aufschluss geben, über die symbiotische Zusammenarbeit von Regisseuren, Bühnenbildnern, Künstlern und Lichtgestaltern: Personen, deren Tätigkeit auf das Gesamtkonzept eines Wahrnehmungswerkes ausgerichtet ist, bei dem das LICHT eine entscheidende Rolle spielt.
Tafel 1: Das Entree des elektrischen Theaterlichts, 300 x 150cm (Im Original mit Text!)
Das Entree des elektrischen Theaterlichts

Mit der Erzeugung eines Lichtbogens als "andauernde Entladung zwischen zwei durch eine Gasstrecke getrennte Elektroden", die im Jahre 1810 Sir Humphrey Davy von der Royal Academy in London gelang, und durch die Verbesserungen von Léon Foucault etwa 30 Jahre später, wurde eine Lichtquelle geschaffen, die erstmals die großflächige Ausleuchtung des Theaterraumes bis in die letzten Winkel ermöglichte.

Ihre Premiere erlebte die Lichtbogenlampe am 27. Dezember 1848 auf der Bühne des Londoner Princess's Theatre anläßlich einer Inszenierung der Pantomime "Bluff King Hal; or Harlequin and the Enchanted Arrow" von J.M. Maddy.
Das Ereignis wurde mit "New Electric Light for the first Time at any Theatre in London" angekündigt, verlor sich aber angesichts der epochalen Bedeutung, die die Lichtbogenlampe ein halbes Jahr später bekam: als "Prophetensonne " in der Meyerbeerschen Oper "Der Prophet", aufgeführt am 16. April 1849 in der Pariser Oper.
Licht durch Elektrizität
Mit der seit dem 16. Jahrhundert neu konzipierten Illusionsbühne wird das naturhafte Licht degradiert, d.h. es hat nur noch den Zweck, die gemalte Raumillusion zu unterstützen, Man verdeckte sogar das Kunstlicht, so dass der Zuschauer nur die Reflexe des Lichtes auf den Dingen wahrnahm, nicht aber das Licht und seinen Herkunftsort selbst. Das Bühnenlicht des Barocktheaters war schwach, der Zuschauerraum heller erleuchtet. Die Bühnenillusion war größer, weil die Unvollkommenheit durch Düsternis kaschiert wurde.
Als die Beleuchtungsanlagen verbessert wurden, kollidierten die unterschiedlichen Lichtmodi: Das System des Beleuchters fand sich im Widerspruch zu dem System des Bühnenmalers.
Ein Zuviel an Licht hatte zur Folge, das Theaterdekorationen – respektive in der Malerei, verändert werden mussten. Die ungewohnte Helligkeit wurde als unangenehm empfunden. Die Folge des elektrischen, noch wenig beeinflussbaren Lichtes auf der Bühne war die Wahrnehmungsveränderung der Kulissen, welche schonungslos entlarvt waren. Die traditionelle Malkunst verlor ihre Wirkung.
Tafel 2: Thomas Alva Edison, 300 x 150cm
Am 19. Oktober 1879 gelang Thomas Alva Edison die Herstellung einer Kohlenfaden-Glühlampe, die 45 Stunden brannte. Die Bedeutung von Edisons Erfindung lag darin, daß seine Glühlampe die erste für die Öffentlichkeit gebrauchsfähige war, eine industrielle Fertigung erlaubte und - im Vergleich zur Bogenlampe - die "Teilung des Lichts", d.h. die Parallelschaltung mehrerer Lampen zuließ.

Diese beiden Erfindungen wurden die Grundlage für die Beleuchtung auch der Theater mit elektrischem Licht.
Carl Friedrich Baumann
Erst im verdunkelten Zuschauerraum, wie ihn Richard Wagner seit seiner Generalprobe zur ersten "Rheingold"-Aufführung im Jahre 1876 am Bayreuther Festspielhaus einführte, zeigt sich die Magie des im künstlichen Licht erstrahlenden Bühnenraums.
Denn "so wie im dunklen Walde jedes knackende Zweiglein dröhnt, das bei Tage überhört würde, verleiht die Dunkelheit im Zuschauerraum dem erhellten Bilde eine sonst nicht erlebbare Intensität.
Wolfgang Schivelbusch
Tafel 3: Der verdunkelte Zuschauerraum, 210 x 150cm
Die Geschichte des Bühnenlichts, der Entwicklung von Lichtquellen und ihrer Stellgeräte, Bühnenprojektionen und vor allem der Effektbeleuchtung ist ohne den Dresdner Glasmaler und Physiker Hugo Bähr (1841-1929) undenkbar.

Bähr konstruierte erste Scheinwerfer mit Bogenlampen, Einrichtungen zur Darstellung von Blitzen, die "Bärsche Scheibe" zur bewegten Projektion von Regen, Wolken und Flammen und entwickelte Regulierapparate für langsame Lichtübergänge.
Tafel 4: Hugo Bähr, 150 x 150cm
Die Reformer:

Loie Fuller, Adolphe Appia und Edward Gordon Graig
Je sculpte de la lumière.
Loie Fuller
Am 5. November 1892 avanciert Loie Fuller nach einem spektakulären Debüt im Folies-Bergère zum Star des Art Nouveau und des Symbolismus. Ihr Serpentinentanz macht Furore. Sie hüllt sich in einen überdimensionierten weißen Umhang aus Crepe de Chine, der aus lauter Dreiecken zusammengenäht ist. Den Bewegungsradius der Arme verlängert sie künstlich mit langen, sehr leichten Aluminiumstäben. Die Stäbe werden im Innern des Mega-Schleiers befestigt. So können die Arme die Stoffmassen bewegen. Das Publikum sieht weit mehr als eine choreographische Variante. Es sieht eine Revolution. Loie Fuller räumt die naturalistische Bühnendekoration zur Seite. Ein Beleuchtungsprogramm tritt an die Stelle des gemalten Bühnenbildes. Ihr Tanzraum ist ein klaffendes schwarzes Loch. Sie schafft das Rampenlicht ab. Vom Proszenium und von den Kulissenwänden kommt indirektes Licht. Über dem Zuschauerraum gehen die Kronleuchter aus. Man sitzt in einem völlig abgedunkelten Raum. Das hatte es zum ersten Mal bei den Festspielen Richard Wagners in Bayreuth gegeben. (…)

Das Licht bekommt die Rolle. Der Körper verschwindet noch einmal.
Für Loie Fuller ist das elektrische Licht mehr als special effect oder Allegorie des Fortschritts. Die Elektrizität ist Medium ihrer Kunst. In ihrer den Körper transzendierenden Inszenierung kommt das Licht als Medium zweckfrei zu sich selbst. Der Dichter und Zeitgenosse Stéphane Mallarmé beschreibt ihre mediale Lichtkunst als „crudité électrique“, in der die industrielle Revolution als ästhetisches Ereignis aufscheint. Licht ist nichts mehr als Licht. Fuller erkennt in der Elektrizität das inhaltslose Medium schlechthin. „Je sculpte de la lumière“ - „Ich forme das Licht“ , so überschreibt die Tänzerin programmatisch ihr Schaffen. Die Paradoxie ihrer Tanzkunst ist hier auf dem Punkt gebracht: Nicht die Materie sondern die Welle formt sie, und zwar die Welle des Stoffes und des Lichtes. Nicht die Form sondern ihr Gegenteil, den Raum modelliert sie. Das Licht wird zum „Mimen der Verwandlung“ (Carl Einstein). Es steigert sich vom Effekt zum bewegten Double der Tänzerin. Das Licht ist nun selbst der Tanzkörper. Die Grenzen des Ästhetischen verschieben sich. Das Technologische ist nicht mehr das Andere der Kunst. Die Kunst wird eine andere.
Petra Bahr
Mit Loie Fuller beginnt die Lichtgeschichte des 20. Jahrhunderts.
Matthias Wagner K
Detail aus Tanzperformance "Danse des Coleurs", 1990, Choreographie und Tanz: Brygida Ochaim (Videoprojektion)
Zunächst können wir dem Licht seine Freiheit zurückgeben.
Adolphe Appia
Modell, 2005 (erbaut anlässlich der Ausstellung)
Das Hellerau Theater wurde 1911/12 nach einem Entwurf von Heinrich Tessenow, entsprechend den Visionen Adolphe Appias und Emile-Jaques Dalcroze, dem Begründer der Eurhythmik, erbaut. Die Klarheit und funktionale Bauweise wird richtungsweisend für die Moderne. Eine der bedeutendsten Einrichtungen des großen Festsaals war die indirekte Beleuchtung, entworfen von dem russischen Maler Alexander von Salzmann. Kein Scheinwerfer war zu sehen. Auf jede Rampenbeleuchtung war konsequent verzichtet worden. Durch diese damals neuartige Beleuchtungsanlage wurde der gesamte Raum in ein diffuses weißes Licht getaucht, wodurch ganz neue Formen der Bühnengestaltung möglich wurden. Das Licht bekam etwas Musikalisches, frei Schwebendes, gleichsam wie ein Ton und oder Klang.
Die Beleuchtungsanlage bestand aus mehreren tausend (die zeitgenössischen Angaben schwanken zwischen 3000 und 7000) zum Teil gefärbten Glühbirnen und Scheinwerfern. Hinter den mit weißem Stoff bespannten Wänden und der Decke angebracht, verwandelten sie diese in selbst leuchtende Flächen. Es war eine der Fortuny-Beleuchtung vergleichbare Lichtatmosphäre, mit dem Unterschied, dass kein Bogen-, sondern Glühlicht verwendet und Lichtintensität und -färbung nicht mechanisch, sondern von einem Pult aus elektrisch geregelt wurden. Das gestaltende Licht im Sinne Appias kam von in der Saaldecke installierten Scheinwerfern, die, solange sie nicht gebraucht wurden, hinter verschiebbaren Deckenelementen verborgen blieben. (…) Von Licht nicht nur erfüllt, sondern auch begrenzt, war dieser Raum eine Art Licht-Lunge: licht-durchströmt, licht -atmend - alles, was sich in ihm begab, beleuchtend, belebend, gestaltend. Ein Experimentalraum, in dem die Verschmelzung von Musik. Bewegung und Licht, die Idee eines tönenden Lichtes ebenso Wirklichkeil geworden schien, wie der alte Menschheitstraum, das Licht des Tages in seinem unendlichen Variationsreichtum künstlich nachzubilden.
Wolfgang Schivelbusch
Das Licht verhält sich zur Szene wie der Bogen zur Violine und die Feder zum Papier. (...) Es wandert über die Szene: Nie verharrt es an einer Stelle. Wandernd wird es Musik. Es kann zärtlich sein und brutal, stürmisch wie eine Flut und tröpfelnd. Nie kommt es zum Stillstand.
Edward Gordon Craig
Das wichtigste Element in Craigs Bühnenaufbau war die Beleuchtungsanlage. Sie nahm nicht die üblichen Positionen - Rampe, Kulissen - ein, sondern konzentrierte sich wie eine geballte Ladung an der Oberseite des Bühnenrahmens. Als Vorform der heutigen Lichtbrücke, wurde sie erst Jahre später Theaterstandard. Von einem elektrischen Schaltpult aus ließ sich die Scheinwerferbatterie in jeder gewünschten Weise einsetzen: Auf- und Abblenden, Streuen, Richten, Färben. Der Lichtstrom konnte Teile des Bühnenrahmens, ja einzelne Partien am Körper der Darsteller aus dem Dunkel hervorholen.
Wolfgang Schivelbusch
"Hamlett" (Modellbau 1910), Künstlertheater Moskau, Bühne und Inszenierung: Edward Gordon Craig / Edward Gordon Craig, Isodora Duncan – Sechs Bewegungsstudien 1906, Blatt Nr. 3, Insel-Verlag Leipzig, Leihgeber: Theaterwissenschaftliches Institut der Universität Köln, Schloß Wahn
Niemals habe ich eine solche Vision gesehen. Ganz weite, blaue Räume, himmlische Harmonien, steigende Linien, kolossale Höhen. Durch das große Fenster im Hintergrund fiel das Licht ein. Dahinter sah man nicht eine Straße, sondern das unendliche Universum. In den blauen Räumen war alles Gedanke, Meditation, Melancholie. Hinter dem Fenster war Ekstase, Freude, das Wunder der Imagination.
Isidora Duncan zu der Aufführung Rosmersholm von Edward Gordon Craig 1895
Blick in die Ausstellung (Raum 2) mit Projektion: Das Kabinett des Dr. Caligari, Robert Wienes, 1919
Expressionistische Bühne
Ein Merkmal der expressionistischen Bühne waren die Lichtkegel, die Szenen aus dem Dunkel herausschnitten. Bewegliche Scheinwerfer konnten den Darsteller über die Bühne begleiten: „Aus dem großen schwarzen Raum ... reißt das Licht einen Teil: hier wird gespielt. Oder ein Mensch steht, allein, als Lichtfleck vor einer schwarzen Fläche.“ Die starke Schlagschattenbildung war für die Expressionisten ein willkommenes Nebenprodukt der Kernscheinwerfer. Der Schlagschatten mit seiner huschenden Beweglichkeit, seinem Vergrößerungseffekt, seinen Verzerrungen und seiner Körperlosigkeit entsprach der expressionistischen Tendenz, die Bühnenfigur zu überhöhen und über die gegebene Körperlichkeit hinaus zu entmaterialisieren und zu entgrenzen.
Die Expressionistischen Darstellungsprinzipien wurden später als filmerische Stilmittel weit über den Expressionismus hinaus übernommen und fanden vor allem ihre Anwendungen in Kriminal- und Horrorfilmen.
Leopold Jessner
Tafel 6 (Detail): Großes Schauspielhaus 250cm x 150cm
Die Jungfrau von Orleans, Deutsches Theater Berlin 1921, Entwurf/ Bühne: Bruno Taut, Inszenierung: Karl Heinz Martin
Leihgeber: Theaterwissenschaftliches Institut der Universität Köln, Schloß Wahn
Das Lichtbild ist das willkommenste Illusionsmittel unserer Zeit.
Ludwig Sievert 1931
Oben: Der Sohn, Mannheimer Nationaltheater 1918, Entwurf/ Bühne: Ludwig Sievert, Inszenierung: Richard Weichert, Leihgeber: Theaterwissenschaftliches Institut der Universität Köln, Schloß Wahn
Links: Othello, Staatliches Schauspielhaus Berlin 1921, Entwurf/ Bühne: Emil Pirchan, Inszenierung: Leopold Jessner , Leihgeber: Theaterwissenschaftliches Institut der Universität Köln, Schloß Wahn
Unten: Baal , Junge Bühne, Berlin 1926, Inszenierung: Oskar Homolka/ Bertolt Brecht, Bühne: Caspar Neher
© Stiftung Archiv der Akademie der Künste Berlin
Gib uns doch Licht auf die Bühne, Beleuchter!
Das offene Zeigen der Lampenapparatur hat Bedeutung, da es eines der Mittel sein kann, nichtgewünschte Illusion zu verhindern. Es verhindert kaum die gewünschte Konzentration. Wenn wir das Spiel der Schauspieler so beleuchten, dass die Beleuchtungsanlage ins Blickfeld des Zuschauers fällt, zerstören wir einiges von seiner Illusion, einem momentanen, spontanen, nichtgeprobten, wirklichen Vorgang beizuwohnen. Er sieht, es sind Anstalten getroffen, etwas zu zeigen, hier wird etwas wiederholt unter besonderen Umständen, z.B. in hellstem Licht. Getroffen werden soll durch das Zeigen der Lichtquelle die Absicht des alten Theaters, sie zu verbergen. Niemand würde erwarten, dass bei einer sportlichen Veranstaltung, etwa einem Boxkampf, die Lampen verdeckt werden. Wie immer die Darbietungen des neueren Theaters sich von sportlichen unterscheiden mögen, sie unterscheiden sich von ihnen nicht in dem Punkt, wo das alte Theater es für nötig findet, die Lichtquelle zu verstecken.
Bertolt Brecht
Die Lichtbühne wird die Befreiung von der Technik bringen – denn sie bringt durch sich selbst die Technik zu ihrem äußersten, verfeinertsten Ausdruck.
Erwin Piscator
Hoppla, wir leben!, Theater am Nollendorfplatz, Berlin 1927, Inszenierung: Erwin Piscator, Bühne: Traugott Müller, Projektionen: John Heartfield, Fotos: Sasha Stone, © Serge Stone, Bereitstellung: Archiv Akademie der Künste Berlin
Was Kritiker und andere Zuschauer gleichermaßen beeindruckte, waren nicht so sehr die Schauspieler (außer vielleicht Graetz in der Rolle eines schusseligen Provinzfunktionärs) als vielmehr die Film-, Ton- und Bühnenbildeffekte. Auf der vierstöckigen Bühne von Traugott Müller wurde für die vielen kurzen Szenen in den Büros der Ministerien oder in den verschiedenen Hotelzimmern des dritten Aktes bei der Ermordung des Ministers ein Spielort nach dem anderen beleuchtet. Größere Szenen, wie die Episode im Wahllokal, die fast den ganzen zweiten Akt füllt und in der Wahl des Kriegsministers zum Präsidenten gipfelt - eine Anspielung auf die Wahl Hindenburgs zum Reichspräsidenten 1925 -, ließ Piscator über die totale Bühnenbreite ausspielen. Filmische Zwischenszenen oder Illustrationen wurden auf eine Leinwand in der Mitte projiziert. Der Film war nach dem Drehbuch der Dramaturgen aus Wochenschau-Ausschnitten und speziell gedrehten Spielszenen zusammengestellt worden.
John Willet 1982
Maschinist Hopkins, Sächsische Staatsoper, Dresden1929, Entwurf/ Bühne: Adolph Mahnke, Inszenierung: Otto Erhardt, Leihgeber: Theaterwissenschaftliches Institut der Universität Köln, Schloß Wahn
Bauhausbühne und Abstraktion
Die Bauhausbühne erhob das Licht zum unverzichtbaren Element einer synergetischen Ästhetik: Das farbige, selbständige und tönende Licht. Das Licht ersetzte den menschlichen Akteur.
In den Bühnenexperimenten am Bauhaus verlor das Licht seine dienende Funktion und wurde innerhalb eines Totalkonzeptes autark, d.h. es hatte nicht mehr anderes zu illustrieren, auszuleuchten oder hervorzuheben, sondern existierte in sich und durch sich, und der Mensch konnte überflüssig sein.
Blick in die Ausstellung: "Hoppla, wir leben!" (Modell), Theater am Nollendorfplatz, Berlin 1927, Inszenierung: Erwin Piscator, Bühne: Traugott Müller, Projektionen: John Heartfield
Leihgeber: Theaterwissenschaftliches Institut der Universität Köln, Schloß Wahn
Blick in die Ausstellung: László Moholy-Nagy, "Lichtspiel Schwarz-Weiß-Grau, Filmprojektion, copyright: Hattula Moholy-Nagy
Das regulierbare künstliche elektrische Licht erlaubt uns heute mühelos, reiche Lichteffekte zu schaffen. Mit elektrischer Kraft kann man vorberechnet verschiedene Bewegungen durchführen, die sich unveränderbar immer wiederholen lassen. Licht und Bewegung werden, gemäß der heutigen Beziehungen, wieder Elemente der Gestaltung. Die Springbrunnen der Barockzeit, die Wasserfontänen und Wasserkulissen der Barockfeste können durch Lichtfontänen und mechanische elektrische Bewegungsspiele schöpferisch erneuert werden. Diese Möglichkeiten werden in naher Zukunft wahrscheinlich als Reklame oder bei Volksfesten als Unterhaltung, im Theater als Erhöhung der Spannungsmomente verwendet. Es ist sogar vorauszusehen, daß diese und ähnliche Lichtspiele durch Radio übertragen werden. Teilweise als Fernsehprospekte, teilweise als reale Lichtspiele, indem die Empfänger selbst Beleuchtungsapparate besitzen, die von der Radiozentrale mit elektrisch regulierbaren Farbfiltern ferngelenkt werden. Es sind zum Beispiel auch Schablonenspiele vorstellbar. Ausgestanzte Kartons werden in die Apparate gesetzt, die — wie heute die Kunstbeilagen — den Radiozeitschriften beigegeben werden.
László Moholy-Nagy
Tafel 7: Bauhaus Bühne und Total Theater - Visionen
Denn in dem Neutrum des verdunkelten Bühnenraums kann man mit Licht bauen und mit abstrakten oder gegenständlichen Lichtmitteln – im Standbild oder im bewegten Bild – szenische Illusion schaffen, durch die sich das reale Theaterrequisit und die Kulisse zum größten Teil erübrigt.
Walter Gropius 1927
Lichtdom, Nürnberger Parteitag 1934
Die Zeit des Nationalsozialismus
Gegen Ende der Weimarer Zeit wurde die Pressefreiheit erheblich eingeschränkt. Gesetzliche Grundlagen dafür waren Notverord- nungen, die gem. Art. 48 WRV erlassen wurden. Am 1933 wurde das Grundrecht des Art. 118 WRV „zum Schutz von Volk und Staat“ aufgehoben. Somit wurde eine staatliche Zensur ermöglicht. Die sozialistische und kommunistische Presse wurde durch diese Not- verordnungen verboten. Aufgrund staatlicher Maßnahmen gegenüber den Meinungsmedien verlor das Zensurverbot seine Bedeutung. Die Tätigkeit des Kulturschaffenden in Presse, Theater und Film wurde im Schriftleitergesetz von 1933, im Reichstheatergesetz und im Reichslichtspielgesetz (beide Gesetze von 1934) als öffentliche Aufgabe anerkannt. Dieser Personenkreis hatte dadurch nicht größere Freiheiten, sondern wurde in ein „öffentlich-rechtliches Pflichtverhältnis zum Staat“ eingeordnet. Durch die personelle Bindung konnte der Staat die gesamten Meinungsmedien ohne formelle Zensur kontrollieren und lenken.
Es scheint, als habe sich die Avantgarde der zwanziger Jahre schon vor 1933 erschöpft. Von der Emphase des Anfangs war kaum noch etwas zu spüren. Routine kehrte ein, und mit ihr trat man sozusagen den geordneten Rückzug an, besann sich auf den zuvor verpönten Realismus oder aktivierte gar den Klassizismus. (...) Das Theater präsentierte sich nicht mehr so experimentierfreudig. Auf deutschen Bühnen wurde eine Kehrtwendung hin zur „Werktreue“ deutlich. Selbst der Theaterrevolutionär Jessner verkündete: „Keine Kunst- stücke mehr auf der Bühne, nicht das Experiment gilt heute, sondern die neue Sachlichkeit“ (...)
Nora Eckert 1999
Tristan und Isolde II. Akt, Bayreuther Festspielhaus 1952/53, Bühne: Wieland Wagner, Inszenierung: Wieland Wagner
Rechts: Siegfried III. Akt, 2. Bild, Bayreuther Festspielhaus 1954, Inszenierung: Wieland Wagner, Bühne: Wieland Wagner
Foto: Siegfried Lauterwasser
Unten: Der fliegende Holländer III. Akt, Bayreuther Festspielhaus 1956, Inszenierung: Wieland Wagner, Bühne: Wieland Wagner
© Für alle Aufnahmen: Bayreuther Festspiele GmbH
Nachdem Wieland Wagner 1951 mit Neuinszenierungen des "Parsifal" und des "Rings" szenisches Neuland betrat und in seinen eigenen Bühnenbildentwürfen zum ersten mal abstrakte Bilder mit symbolhaften Formanspielungen und ausgeprägter Lichtregie auf die große Bühne des Festspielhauses gestellt hatte, setzte er diesen Weg der Abstrahierung mit seiner ersten "Tristan"-Neuinszenierung 1952 weiter fort, die der junge Herbert von Karajan dirigierte.
Im "Tristan" hatte Wieland Wagner noch radikaler alles überflüssige Beiwerk eliminiert. Weder Kulissen noch realistische Auf-bauten, nichts Historisches, schon gar nichts Teutonisches wurde mehr geduldet auf dem Grünen Hügel. Das Wort von der "Entrümpelung" machte die Runde. Er steckte die Sänger in vereinfachte, aber ausdrucksvolle Kostüme und konzentrierte die Bühnenaktion auf spannungsvoll bedeutsame Gestik und Mimik. Die Bühne wurde zum "geistigen Raum". Am wohl extremsten verwirklichte er diese Idee in seiner optisch streng geometrischen "Tannhäuser"-Inszenierung, die erstmals 1954 auf die Bühne kam.
Dieter David Scholz
Links: Intolleranza , (Collage von 1960), Teatro La Fenice, Venedig 1961, Bühne: Josef Svoboda Inszenierung: Vàclav Kaslik, Leihgeber: Theaterwissenschaftliches Institut der Universität Köln, Schloß Wahn
Rechts: Der Sturm (Shakespeare), Entwurf, Salzburger Festspiele 1968, Bühne: Teo Otto, Inszenierung: Schuh, Im Besitz: Archiv der Salzburger Festspiele/ Max Reinhardt-Archiv
Der tschechische Bühnenbildner Josef Svoboda war ein Lichtmagier, und für seine Zaubereien schuf er ein Gestell mit neun Niederspannungs-Scheinwerfern, die ein sehr scharfes Lichtbündel erzeugen, das gleichwohl keine klaren Schlagschatten wirft. Dieses Universalgerät bedeutete eine Revolution in der Beleuchtungstechnik und setzte sich in kürzester Zeit auf allen Bühnen der Welt durch.
Denis Bablet 1966
Der vom Licht durchspielte Baum – sich ständig verändernd – ist eine Lichtplastik. Das Gleiten des Lichtes über eine Felswand läßt ein Relief entstehen. Die unebene polierte Fläche einer Blechplatte ruft im bewegten Licht unentwegt neue Bilder hervor. Gesträuch im Nebel, plötzlich durchschossen von Sonnenstrahlen, fächernde Gräser, schwebende Blätter, winkende Tücher erzeugen zauberhafte Gebilde. Gegenstände vor und hinter Schleiern – die sich verändern können! Die reflektierende Pendeltür, die Reflektierungen von Scheibe, Raum und Spiegel. Dann die kleinen Dinge: Konfetti, in die Luft geworfene Stanniolstücke – verschieden beleuchtet. Welche Kombinationen ergeben sich in der Bewegung von Gegenständen und bewegtem Licht!
Die Lichtplastik lebt von lichtfangenden Elementen. Gleich wie kompakt oder wie durchlässig diese Flächen, Körper und Stäbe sind. Gezieltes Kunstlicht ist es, das, ruhig oder bewegt, die gewünschte Wirkung hervorruft.
Teo Otto
Tafel 8
Links: Maß für Maß,
Rechts: Die Unberatenen, Theater Bremen 1965, Bühne: Wilfried Minks, Inszenierung: Peter Zadek, Der Wechselbalg, Schauspielhaus Zürich 1969, Bühne: Wilfried Minks, Inszenierung: Peter Stein, Der Sturm, Theater Bremen 1969, Bühne: Wilfried Minks, Inszenierung: Klaus Michael Grüber, Macbeth, Theater Bremen 1966, Bühne: Wilfried Minks, Inszenierung: Kurt Hübner, Hamlett, Theater Bremen 1967, Bühne: Wilfried Minks, Inszenierung: Kurt Hübner
Death, Destruction and Detroit I, Schaubühne Berlin, Inszenierung/ Bühne/ Licht: Robert Wilson
Inszenierungsfotos und ? Ruth Walz
Ich bin überhaupt nicht an Naturalismus interessiert. Ich bin an Dingen interessiert, die künstlich sind. Ich denke, dass sie am natürlichsten sind. Wenn es um Kunst geht, die ja künstlich ist, und man versucht vorzugeben, sie sei natürlich, dann ist das eine Lüge.
Robert Wilson
Oben: Autorisiertes Modell, gebaut für die Ausstellung, ausgehend von der Blaubart Inszenierung in Salzburg
Untergrund: Pelleas und Melisande, Salzburger Festspiele 1997, Inszenierung/ Bühne/ Licht: Robert Wilson
Inszenierungsfotos und ? Ruth Walz
Wir beide waren schon damals (in den 80ern) Verwerter von Kinoerlebnissen (heute suche ich etwas Anderes...), und Wonder ist der Einzige, der auf seine poetische Art das Medium Film ins Theater hineingebracht hat. Nicht durch Abspielen auf der Leinwand (a la Piscator), sondern durch seine Architekturen, seine Ausschnitttechnik, durch seine Perspektive und vor allem durch seinen Beleuchtungsstil.
Luc Bondy über Erich Wonder, 2000
Das Aufregende war, dass wir beide nicht mehr Dekorationen beleuchten wollten, sondern mit Licht Räume erschaffen haben. Zuerst fingen wir an, eigene Beleuchtungsgeräte zu erfinden, die unseren Ansprüchen gerecht wurden. Denn die Beleuchtungsindustrie hat unsere Wege damals noch nicht verstanden und erst später unsere Ideen weiter entwickelt und immer mehr perfektioniert.
Erich Wonder über Luc Bondy
Oben: La Traviata, Staatsoper unter den Linden 2003, Bühne: Erich Wonder, Inszenierung: Peter Mussbach
Unten:Der Ferne Klang, Staatsoper unter den Linden 2001, Bühne: Erich Wonder, Inszenierung: Peter Mussbach
Untergrund: Reigen, Théâtre Royal de la Monnaie 1993, Bühne: Erich Wonder, Inszenierung: Luc Bondy,
Inszenierungsfotos und ? Ruth Walz
To Be Sung, Théâtre des Armandiers, Nanterre 1994, Bühne: James Turrell, Musik/ Inszenierung: Pascal Dusapin
Die “feindliche Übernahme“ des Theaters durch Videokunst oder Fernsehbilder ist im heutigen Theater fast inflationär, und man hat das Gefühl, Theater versucht sich gerade im Werben um jüngere Zuschauer deren Lieblingsmedien anzunähren. Der innovative Umgang mit Licht dagegen wird heutzutage in der Theaterkunst nachrangig behandelt. Licht kehrt eher in die Dimension des Illusionierens, des Effekts, zur dienenden Funktion zurück. Die Auffassung, dass Licht eine Substanz ist, die zu einer Lichtraumautarkie führt, entwickeln Performance-Künstler wie James Turrell weiter. Sie versuchen Theaterräume – oft die für das zeitgenössische Tanztheater – in einen Schwebezustand zu versetzen, und tradierte Wahrnehmungsverhalten zu dekonstruieren; entweder löst das Licht den Guckkasten auf oder es verbindet Bühnenkünstler und Zuschauer wieder in einem Raumkontinuum: „Wir machen den Wahrnehmenden zum Performer, indem wir das Licht von der Bühne auf das Publikum richten. Die Bühne ist dunkler als der Betrachterraum. Im Gegensatz zur Dunkelheit, in der sich das Publikum normalerweise versteckt, erscheint das Licht, das ich auf es richte, stark, obwohl es nicht sonderlich intensiv ist. Ich löse nur grundsätzlich das Verstecken auf, (...)“ Die Frage bleibt, ob das noch Theater oder nur noch die Idee von Theater ist.
Gerald Köhler (mit einem Zitat von James Turrell)
AS A GARDEN IN THIS SETTING, Ballett Frankfurt 1992, Bühne und Licht: William Forsythe, Video: Sean Toren
Wir danken ganz besonders herzlich den FotografInnen Ruth Walz, Monika Rittershaus, Matthias Horn und Dominik Mentzos - ohne die Bereitstellung ihrer wunderbaren Bühnenaufnahmen, wäre diese Ausstellung nicht möglich gewesen.

Ebenso danken wir für die Unterstützung und Förderung: Galerie der Stadt Remscheid, Dr. Christian Henkelmann, Klaus Küster, Theaterwissenschaftliches Institut der Universität Köln - Schloß Wahn, Gerald Köhler, Bertolt Brecht-Archiv Berlin, Erdmut Wizisla, Bayreuther Festspiele, Bauhaus Archiv Berlin, Firma Faco Köln, Bruno Engelhardt, Hattulla Moholy-Nagy, Jo Fabian Department, Brygida Ochaim, Festspielhaus Hellerau gGmbH, Marthe Lemelle, Oda Sternberg, Sven Hain, Joachim Schütz, Robert Wilson, Serge von Arx, Teo Otto TheaterRemscheid, Zentrum für Internationale Lichtkunst, Stiftung Stadtmuseum Berlin, Theater derZeit, Anna Viebrock, Theater Bremen, Staatsoper Berlin, Ronny Unganz, Hr.Krieger, Arwed Messmer, The Forsythe Company, Christoph Burkhart, Christiane Stahl und Sibylla Weisweiler